Ja, man siehts der Überschrift schon an, ich bin eigentlich kein Freund von der These mit dem Inneren Kind.


Ich möchte meinem Inneren Kind keinen Teddy kaufen und auch nicht mit anderen Stofftieren schlafen gehen, nicht zur Bespaßung Kinderkassetten hören oder IceAge gucken.
Rapunzelinchen könnte auch auf dem Spielplatz im Sandkasten sitzen und anderen echten Kleinkindern die Förmchen klauen wollen.
Die Eltern auf der Bank wären wahrscheinlich ziemlich irritiert, denn die sehen ja nur die große Rapunzel und nicht das kleine süße Rapunzelinchen, dass einfach nur mitspielen will. Ich denke, sie würden die Erklärung, dass in mir noch eine kleine Rapunzel sitzt, nicht akzeptieren, außer sie haben auch schon beim Therapeuten auf dem Sessel gehockt.
Ich habe schon Kopfkino, wie eine Horde wildgewordener Supermamis mich durch den Park jagt….“Ey Rapunzelinchen tut nix, die will nur spielen!“

wp_20161008_008Es liegt einfach außerhalb meiner Vorstellungskraft, dass in der großen Rapunzel noch eine kleine Rapunzel mit Rattenschwänzchen- Zöpfen und Schnuller im Mund rumspringen soll und derartige Forderungen an mich stellen könnte, damit es sich sicher und angenommen fühlt.

Rapunzel ist im Hier und Jetzt eben 49, derzeit übergewichtig und färbt die grauen Haare über….und das letzte, was ich mir jetzt noch antun würde, wäre Babysitting für Kleinkinder…auch für ein süßes blondgelocktes Rapunzelinchen mit großen blauen Augen nicht!
Never ever….der Mama-Modus ist bei mir abgeschlossen!

Womit ich mich aber derzeit anzufreunden versuche, ist, dass es Persönlichkeitsanteile gibt, die einfach in der Vergangenheit feststecken und mir hier in der Gegenwart das Leben schwerer machen.

Wie ich jetzt darauf komme, obwohl ich Zeit meines Lebens immer dachte, ich hätte alle Synapsen unter Kontrolle ?

Tja…schuld ist meine neue Therapeutin Frau C., die jetzt schon bei zwei Sitzungen angedeutet hat, dass ich Anteile habe, die anscheinend boykottieren, dass es mir auch mal gut gehen darf…dass ich Selbstbestrafungs-Anteile habe, die es verhindern, dass ich mich gut um mich selber kümmere.
Ich habe sie sofort ausgebremst, dass sie mir nicht mit Innerem Kind und so einem Kram kommen soll. Deswegen auch „Anteile“, was wohl (nach einigem Nachforschen zuhause) ein Synonym für „inneres Kind“ ist. Frau C. hat mich reingelegt 😉

Die Einen können wahrscheinlich besser mit der visuellen Vorstellung von Mini-Rapunzel klar kommen….und Andere wie ich eher nüchtern ausgedrückt mit „Anteilen“.

Aber letztendlich ist es das Gleiche.
Erinnerungen/ Gefühle und Glaubenssätze…Zeitbomben, gelegt in der Vergangenheit von meinem damaligen Umfeld.

Da schreibt Rapunzel seit einem Jahr schlaue Beiträge in diesem Blog und fällt wie alle Anderen trotzdem tagtäglich über die gleichen Stolpersteine.
Schreiben und Wissen umsetzen sind eben 2 Paar Schuhe.

Also Rapunzel hat jetzt auch nochmal dazugelernt.
Egal, ob „Inneres Kind“ oder „Anteile“ -Sie wenden das an, was uns in der Vergangenheit beim Überleben geholfen hat. Sie handeln aus guter Absicht! Nur eben zur falschen Zeit am falschen Ort!

Ich werde jetzt versuchen, mich in Momenten, in denen ich mich unbegründet ängstlich oder unwohl fühle, genau daran zu erinnern.

Erster Testversuch ist leider gescheitert, als bei der Cranio letzten Dienstag mein Nacken und die Muskeln zum Kiefer von Ludmilla bearbeitet wurden. Adrenalin verteilte sich langsam in meinem Körper, ich habe wirklich versucht, mir im stillen Selbstgespräch zu sagen:“ Das, was ich jetzt fühle, hat nichts mit meiner Vergangenheit zu tun. Es ist ok, das Ludmilla an meinem Hals und meinem Kopf rumdrückt, sie will mir nichts Böses.“
Letztendlich habe ich Ludmilla doch stoppen müssen, aber ich war schon etwas stolz auf mich, dass ich nicht auf Teufelkommraus geduldet und durchgehalten habe, sondern den Mut hatte, Nein zu sagen und eine Dissoziation abzuwenden.
Also eigentlich doch nicht gescheitert, stelle ich grade fest.

wp_20161008_002Jedenfalls habe ich beschlossen, doch mal in die Materie „Inneres Kind“ einzutauchen.
Wer weiß, vielleicht kaufe ich mir demnächst doch einen Teddy…so einen, wie ich ihn als Kind schon hatte…aus rosa Frottee… den hatte noch mein Sohn als Kind zum Kuscheln, bis der Hund ihn geschrottet hat…also den Teddy, nicht den Sohn!

 

Im Moment lese ich ein Buch, welches ich mir von meiner Therapeutin ausgeliehen habe.
Lass die Kindheit hinter Dir/ Ursula Nuber

Viele Menschen fragen sich: »Warum bin ich so, wie ich bin? Und wäre ich anders, wenn meine Kindheit glücklicher verlaufen wäre?« Jeder Mensch wird von seiner Kindheit geprägt – doch sie ist nicht ausschlaggebend für unser späteres Glück oder Unglück. Die Psychologin Ursula Nuber zeigt: Es gibt keine schicksalhafte Entwicklung der eigenen Biografie, wir müssen also nicht zwangsläufig unser ganzes Leben mit den Auswirkungen unserer frühen Erfahrungen kämpfen. Sie plädiert dafür, sich nicht als hilfloses Opfer der Vergangenheit zu sehen, und zeigt, wie die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit uns neue Kraft und Stärke geben kann.

Das Buch ist recht interessant. Es geht um die Eltern- Kind- Beziehungen und wie sich alte Konflikte auch im Erwachsenenalter fortsetzen.
Sicherlich hilft es nicht, die Traumata der Kindheit aufzulösen, wenn es sich um Missbrauch oder Misshandlung handelt. Doch es lässt mich darüber nachdenken, ob ich, trotz allem, die Möglichkeit hätte, meine Biografie auch mal anders zu erzählen.

Lesen bildet eben (und es verkürzt meine langen Klo-Sitzungen dank der Verstopfung)

Eure Rapunzel