Lange habt ihr von mir nix gehört, sorry.
Aber irgendwie fehlt es immer an Worten, an Zeit, an Motivation oder allem zusammen.
Aus eigenem Anlass möchte ich heute aber nochmal etwas Hilfestellung zum Antrag auf den Schwerbehindertenausweis und die Merkzeichen geben.


Jetzt liege ich hier grade auf meinem Balkon, genieße die untypische lauwarme Februarsonne, lausche dem aufgeregten Vogelgezwitscher und sinniere so rum, wie gut es mir doch grade in diesem Moment geht.

Vollkommen symptomfrei, wie jeder andere, genieße ich das Sonnenbad…ich habe grade kein Wehwehchen, keine Angst, keine negativen Körpersymptome…

Bevor ich mich hier auf die Minibank gelegt habe, habe ich sogar unten den Hof gefegt, mit einigen Nachbarn gesprochen und 2 Hunde auf ihrer Gassirunde gestreichelt.

Wofür habe ich eigentlich grade gestern die Klageschrift für das Sozialgericht abgeschickt, weil mir das Merkzeichen H verweigert wird?
Wer den Hof fegt, kann alles andere schließlich auch! Das ist mal das absolute Gegenteil von „Hilflos“!

Halt,stop…Rapunzel, was machst du grade?

„Positiv denken“ wird zwar gebetsmühlenartig von Allen und Jedem propagiert als wichtigen Schritt in welche Richtung auch immer…aber die Realität lässt sich nur für kurze Momente ausblenden.

Ja, mir gehts heute gut…alle Faktoren, mir den Tag zu versauen, sind zumindest bis jetzt noch nicht aufgetreten.
Ich habe abends meine Medikamente genommen, nicht stundenlang wachgelegen, die Nacht mit weniger fiesen Träumen durchgeschlafen, keine stressbesetzen Personenkontakte gehabt oder angstbesetzte Aussentermine. Mein Körper hat nicht rumgemuckt, so dass mein Alarmsystem auf Ursachenforschung hätte gehen müssen…

Ja…alle Zeichen an diesem Tag standen auf „Go“ und ich habe die Gunst der Stunde genutzt…mehr nicht!

Aber ich Pappnase gehe natürlich, wie Ihr alle da draussen, den gleichen dämlichen Gedanken- Weg… Ich stelle nach so einem minipositivem Moment meine gesamte Krankenakte und die damit verbundenen Lebensumstände in Frage.

Alles nur Show von einer vollkommen gesunden erwachsenen Frau, die einfach nur ihr Leben nicht auf die Reihe bekommt und zu faul und bequem ist.

Und bämm sind die Schuldgefühle da, das Abwerten, das Nichtzugestehen der Krankheitssymptome und des Schongangs, in dem das Leben verläuft.

  • Dass ich seit 1 Woche nicht gebadet und seit 2 Wochen die Haare nicht gewaschen habe.
  • Dass ich meine Waschmaschine nicht voll bekomme seit 1 Monat, weil ich zu selten die Kleidung wechsele und ich schon am Überlegen bin, Hell und Dunkel einfach zusammen zu waschen.
  • Dass ich eigentlich auf dem Balkon sitze, um mit dem Sonnenlicht meine Vitamin D Produktion anzuregen, weil auf meinem letzten Röntgenbild Osteoporose erkennbar war.
  • Und dass ich da draussen rumackere, damit ich mal ein bischen Bewegung habe (Sportstudio oder Rehasport geht nicht), weil sich durch das ständige verkrampfte Rumsitzen eine Skoliose entwickelt hat.

Ja, all das hatte ich in dem Glücksmoment vollkommen ausgeblendet und meine mühevoll in stundenlanger Denk- und Schreibarbeit ausgearbeitete Klagebegründung selber Lügen gestraft.
All die Stunden, die ich vor dem Laptop gesessen habe, teilweise heulend und im Hochstress, weil beim Schreiben einfach das ganze Ausmaß des eigenen elendigen Lebens wieder so richtig bewusst wird.


Nun bin ich nicht die Einzige, die Schwierigkeiten hat, die eigenen Interessen bei den Ämtern durchzusetzen.
Merkzeichen beim Schwerbehindertenausweis zu bekommen, ist bekanntlich nicht so einfach mit nichtorganischen Erkrankungen.

Ich bekomme oft mit, dass die Merkzeichen G und B verweigert werden bei Dissoziativen Störungen, obwohl Anfallsleiden oder Orientierungslosigkeit explizit mit in den Voraussetzungen aufgeführt sind. Selbst Gerichtsurteile anderer Betroffener werden als unrelevant abgeblockt.
Die Merkzeichen H und aG werden noch wertvoller „gehandelt“, die zu bekommen ist wie das Knacken des Jackpotts im Lotto. Da werden die Voraussetzungen von den Sachbearbeitern wirklich aufs Millimeterpapier gelegt und selbst bei Erfüllung der Voraussetzungen scheint es oft auf den GoodWill des SB anzukommen, zumindest ist das mein Eindruck.

Ab und an werde ich von Lesern hier im Blog oder bei Facebook um Unterstützung gebeten bei der Antragstellung oder der Formulierung der Widerspruchsbegründung.
Auffällig dabei ist, dass ich den Betroffenen oft erst klar machen muss, dass es ihr Recht ist, das ihnen Zustehende auch einzufordern und das ganze Procedere wie ein Tauziehen mit dem Sachbearbeiter zu sehen….ohne Kraftaufwand kannst Du nur verlieren 😉
Beim Erstantrag geben sie Dir freiwillig oft gar nichts oder nur das Unvermeidbare bei der Höhe des GdBs oder bei der Erteilung der Merkzeichen.

Nun kann und werde ich nicht für jeden von Euch die Schriftsätze aufsetzen können, dafür fehlen mir die Nerven.
Desweiteren kennt nur Ihr Eure Einschränkungen, die trotz gleicher Diagnose sich bei jedem mit unterschiedlicher Schwere auf den Alltag auswirken, was oft auch die Erklärung dafür ist, dass die Höhe des GdBs so unterschiedlich ausfällt.

Ich kann Euch nur Tips geben und etwas an der Motivation schrauben, damit Ihr selber für Euch eintretet. Und glaubt mir, eigentlich könnt Ihr das besser als jeder Anwalt oder Beratungsstellen.

Beim Erstantrag ist es wichtig, dass Ihr nicht nur den Schwerbehindertenausweis und die Feststellung des GdBs (Grad der Behinderung) beantragt, sondern auch die Kreuzchen bei den Merkzeichen setzt, die Ihr begehrt. Die Ämter zieren sich da häufig und werten ein Nichtankreuzen nicht nur als Nichtbegehren, sondern als nicht notwendig!
Eigentlich eine Frechheit, aber sie handeln leider so und kommen damit auch durch.

Gebt alle Ärzte an, die Euch in den letzten Jahren behandelt haben und fügt evtl. Klinikentlassungsberichte gleich dem Antrag in Kopie bei.

Informiert Eure aktuell behandelnden Hausärzte, Fachärzte und Therapeuten, dass Ihr einen Antrag auf Schwerbehindertenausweis stellt und sprecht auch mit ihnen nochmal Eure Probleme im Alltag durch.
Sie sind es, die letztendlich bestätigen müssen, wie arm Ihr dran seid.
Und Ärzte und Theras verdienen an dem Ausfüllen des zugesandten Formulares nicht viel, sie haben viele dieser lästigen Papiere für ihre Patienten und Klienten auszufüllen, von Rententrägern, Krankenkassen, Ämtern…dementsprechend nachlässig und kurzangebunden sind sie oft beim Eintragen der Diagnosen und Beschwerden.

Meistens scheitert es wirklich an den dünnen Berichten der Ärzte, dass sehe ich immer wieder, wenn ich mir die Unterlagen (Akteneinsicht) von Gescheiterten vor dem Widerspruch anschaue. „Motiviert“ Eure Ärzte, diese Zettel ordentlich und aussagekräftig auszufüllen!

Habt Ihr Eure Ärzte nicht im Rücken, geht’s mit dem Antrag und auch später mit dem Widerspruch meistens in die Hose. Sie sind die Bestätigung für Eure Begründung, denn sonst könnte sich ja jeder in einer Märchenstunde hemmunslos auslassen über angebliche Wehwehchen.

Für Begründungen in den Bereichen Pflege und Schwerbehinderung muss man als “ Bittsteller“ , um Erfolg zu haben beim Durchsetzen der einem rechtlich zustehenden Ausgleichsmöglichkeiten nämlich alles an Einschränkungen sachlich, aber möglichst plastisch dem Antragsgegner vermitteln…
Denn selten stehen die Sachbearbeiter auf der Seite eines psychisch Kranken. Ich unterstelle noch nicht mal Böswilligkeit, aber mangelndes Verständnis und mangelnde Vorstellungskraft.

Wir müssen also alles geben, damit die da draußen überhaupt verstehen, womit wir uns tagtäglich auseinandersetzen müssen. Für die Sachbearbeiter sind das unsichtbare Hürden, die wir für sie sichtbar machen müssen. Und dann müssen wir noch erreichen, dass diese Menschen das akzeptieren und respektieren und mit den Vorschriften in Einklang bringen können. Ist nicht so einfach, weil wir selber unseren Scheiß auch ständig in Frage stellen.

Am Einfachsten ist es, seinen Alltag erstmal in Stichpunkten auf einem Blatt Papier zu strukturieren (Aufstehen, Körperpflege, Nahrungsaufnahme, Berufsleben, Freizeitgestaltung, Bettroutine).
Und dann stellt Euch bildlich die Abläufe vor und wo es für Euch Schwierigkeiten gibt und wie sich diese äußern und welche Hilfe dann benötigt wird. Und das schreibt Ihr ausführlich auf.
Das werden mehrere Seiten sein, aber ohne Fleiß leider oft kein Preis.

Leider gibt’s aber auch Alltags- Einschränkungen, die in dem Regelwerk des Schwerbehindertenrechts keinen Platz finden und wo es moralisch und menschlich sehr bedenklich ist, dass z.B. Merkzeichen in diesen Fällen nicht erteilt werden.
Grade beim Erteilen der Merkzeichen G, aG und H tun sich wirklich Abgründe auf. Darum lest Euch die Voraussetzungen für die Erteilung der Merkzeichen VOR Antragsstellung oder Widerspruch genau durch und legt nicht in Eurem Sinne aus oder spekuliert auf Herz und Verstand des Gegenübers. Erfüllt Ihr die (meiner Meinung nach) viel zu eng ausgelegten Bedingungen nicht, habt Ihr keine Chance!

Es ist, wie es ist….und jeder Richter wird sich bei einer Klage an Recht und Gesetz halten und auch nicht anderes entscheiden, egal ob Ihr Euch gegen die Bescheide alleine oder mit einem Anwalt oder dem VDK zur Wehr setzt.
DAS kostet Euch dann nur unnütz Geld und Nerven!

Fühlt Ihr Euch aber ungerecht und nicht entsprechend der Vorschriften behandelt, erfüllt Ihr die Voraussetzungen und das Amt stellt sich quer…dann kämpft um das, was Euch rechtlich zusteht. Mit allen Mitteln, mit vollem Einsatz!
Ihr kämpft in dem Moment nicht nur für Euch, denn jedes Gerichtsurteil erleichtert es anderen Betroffenen, bei gleichen Voraussetzungen einfacher zu ihrem Recht zu kommen.

Eure Rapunzel