Phasenweise hat auch Rapunzel den Drang, etwas ändern zu wollen.
Also auf zum Vorgespräch!


Vorgespräch…
Der Termin, auf den ich wochenlang gewartet habe. Für den ich 130 Kilometer gefahren bin in die Heimatstadt von meinem Freund.
Der Termin, um den ich mir nächtelang Gedanken gemacht habe, was ich davon erwarte, wer mir gegenüber sitzt, was ich wissen möchte und was ich von mir preisgeben muss und wie ich mich darstellen möchte.
Und natürlich wollte ich kontrolliert und sicher auftreten, geistig voll da, dass nicht der leiseste Verdacht aufkommt, ich hätte einen an der Waffel.
Ich hab mich brav geschminkt. sogar Mascara und Kajal riskiert. mit dem festen Vorsatz, nicht zu heulen.

Tja…und immer kommt es anders als Rapunzel geplant hat.

Pünktlich dagewesen, von der Anmeldedame belehrt worden, dass meine Gesundheitskarte kein Foto hat, brav Fragebogen ausgefüllt und dann einem Mädel hinterher ins Sprechzimmer geeiert, welches aussah, als wenn sie grade ihr Abi gemacht hätte.
Hmm…das war die Assistenzärztin, autsch!
Also habe ich mir die ganze Zeit im Kopf die Frage gestellt, bin ich nun zu alt oder ist sie zu jung? Was kann sie wissen, was ich nicht schon weiß?
Meine Psychokarriere war schließlich schon entwickelt, da war sie noch nichtmal geboren.

Und es war, wie es immer ist….
Kommt es drauf an, bin ich grade noch in der Lage, meinen Namen zu stammeln und spätestens bei der zweiten Frage kommt die Erkenntnis, dass mal wieder nix ist mit kontrolliert und sicher auftreten.
Die Redegewandheit ist im Arsch, das logische Denkvermögen verabschiedet sich ins Nirvana und die Hand greift zu der Tissuebox auf dem Tisch.

Ich bin ehrlich, ich hasse diese Abfragerei…vor allem weiß ich, dass die Fragen nach meiner Biographie den Zeitrahmen sprengen und sie das eh nicht alles mitschreiben kann. Ausserdem will ich nicht darüber reden.
Warum wird bei einem Erstgespräch danach überhaupt gefragt?
Wofür habe ich meine alten Entlassungsberichte mit?
Da steht doch zumindest in groben Zügen alles Wissenswerte drin.

PTBS…wie äussert die sich bei mir? Und wie bin ich dazu gekommen?
Ja, da fragt sie die Falsche….andere Ärzte haben mir gesagt, dass ich eine PTBS habe. Nicht ich habe das Krankheitsbild bestimmt, die Ärzte haben das diagnostiziert.

Ich fand die Frage oberdoof!
Ich weiß, ich tu dem Mädel unrecht, sie macht ihren Job und arbeitet ihren Fragebogen ab.
Aber ich mache meinen Job als Patientin ebenfalls schon sehr lange und bin dabei wahrscheinlich alles andere als objektiv.
Sorry Frau Assistenzärztin!

Psychosomatik…auch da hat sie natürlich nachgehakt, schließlich lässt sich mein Rumeiern beim Gehen wirklich nicht übersehen. Also genaue Beschreibung der Dissoziativen Malessen erforderlich. War ganz leicht, denn schließlich waren Schultern und Oberarme eh schon taub und die Unterarme am Kribbeln.
Ok…ärztliche Berichte von HNO und Augenarzt muss ich noch beschaffen.

Ambulante Therapie, ganz wichtig….Ja, finde ich auch, bloß wo einen Platz finden???? Wie sind hier ja in Deutschland und nicht im Therapeuten-Schlaraffenland!

Endlich sind wir mal da, wo ich hinwollte…bei der Klinik und der stationären Therapie.
Also einen Tag Schonzeit hätte ich, aber danach müsste ich sofort alles mitmachen, Gruppentherapie, Bewegungstherapie, Ergo…zum Glück hat die Klinik kein Schwimmbecken.
Besuch bitte nur am Wochenende…das finde ich voll ok.
Gearbeitet wird zum Teil nach Reddemann, den Rest habe ich mir mal wieder nicht merken können.
Aufenthaltsdauer zwischen 4 und 8 Wochen…
4 Wochen? Ich brauch schon ca. zwei, um mich einzugewöhnen und mich einigermaßen sicher durch die Gänge bewegen zu können. Schließlich habe ich auch ein bisschen Klinikerfahrung mit mir selber.

Die Warteliste ist…ratet mal….natürlich lang!
Kann ein paar Monate dauern….

Wenn ich nicht stabil genug bin, sollte ich vielleicht erst in eine Psychiatrie gehen. In Hemer z.B…hab jetzt grad mal geschaut, wo das überhaupt ist. Eine Psychiatrie habe ich aber auch direkt vor meiner Haustür, da war ich schon, da will ich nicht wieder hin. Weil mir das nix bringt dort.

Nunja…ich zwei Wochen soll ich mich telefonisch melden, bis dahin wird im Team und mit der Station besprochen, ob ich aufgenommen werde.

Und ich hab jetzt wieder Schiss…
Nehmen sie mich auf?
Lehnen sie mich ab?
Und wenn sie mich aufnehmen, kann ich das packen?
Komme ich dann in einem besseren oder schlechteren Zustand wieder raus?

Lange Rede- kurzer Sinn
Rapunzel hat die Hosen voll, ob sie sich nicht wieder zuviel vorgenommen hat.

Dabei habe ich mir schon ganz kleine Ziele gesteckt….
Tag- Nacht- Rhythmus wieder in den Griff bekommen und mal eine Stunde alleine in der Wohnung meines Freundes alleine bleiben zu können und nicht sofort total kopflos zu werden, wenn mir das Adrenalin im Körper explodiert.

Sollte ich erleichtert sein, wenn sie mich annehmen oder besser, wenn sie mich ablehnen?

14 Tage, dann weiß ich mehr…

Eure Rapunzel im Wartemodus