PTBS ist scheiße!
Borderline ist scheiße!
Narzissmus ist auch scheiße, aber eher für die anderen 😉


waageKann man die Qualen und Einschränkungen einer Psychose mit der einer PTBS vergleichen?
Leidet ein Depressiver mehr als ein Borderliner?
Und sind die (meist blutigen) Selbstverletzungsattacken eines Borderliners schlimmer als die Selbstbestrafungsmethoden anderer Persönlichkeitsgestörter?

Kann man psychische Erkrankungen wirklich miteinander vergleichen?

Ich sage nein, denn selbst mit der gleichen Diagnose können die Beschwerden vollkommen unterschiedlich schwer zum Tragen kommen…teilweise unterscheiden sie sich fast in Gänze.

Ich habe vor einem Jahr einen Beitrag über den Vergleich von psychischen und physischen Erkrankungen geschrieben (Physisch Kranke vs. Psychisch Kranke), doch in Facebook-Gruppen fällt mir immer mehr auf, dass psychische Erkrankungen ebenfalls miteinander verglichen werden.

Grade im Zusammenhang mit der Bestimmung der Höhe des Pflegegrades oder des GdBs im Schwerbehindertenausweis fällt mir das immer mehr auf.
Unverständnis und teilweise auch Missgunst, weshalb ein PTBSler eine höhere Einstufung bekommt als ein anderer.
Kann der eine mehr jammern? Wurde gemogelt? Gibt es noch andere Erkrankungen?
Oder sind da die Sachbearbeiter lockerer? Wieso kriegen die anderen ein Merkzeichen und ich nicht?

Die Fragen und Vermutungen sind immer die gleichen.
Viele scheinen nicht zu wissen, dass der Grad der Einschränkung nicht nur nach Diagnosen bemessen wird, sondern vor allem an den tatsächlichen Einschränkungen im Alltag.

Eins ist sicher….der aktuelle Zustand eines Jeden von uns fühlt sich scheiße an, so richtig scheiße, richtig einschränkend, behindernd und vor allem nochmal scheiße 😉

Alle Fahnen hängen auf Halbmast, bei Windstille im grauen Nieselregen…ordentlich zerfleddert… Glanz und Gloria? Fehlanzeige!

Die Freude und Unbeschwertheit, die wir alle gerne hätten bei sämtlichen Unternehmungen, ist flöten gegangen und wurde ersetzt durch Unsicherheit, Ängste, Druckgefühle, Wut, Hilflosigkeit, etc.

Aber….Schlimmer geht immer!

Wenn ich an meine Anfangszeit mit normalen Panikattacken und Angstzuständen zurückdenke, kann ich mich noch genau daran erinnern, wie schlimm sich das angefühlt hat. Mein Leben war im Arsch…alles, was ich vorher konnte, war ab dem Moment ein einziger Kampf. Jede Unternehmung eine Herausforderung.
Als (Er)Lösung sah ich nur noch den Sprung aus dem Fenster oder eine gemütliche Liegerunde auf den Schienen.

Doch wenn ich heute auf diese Zeit zurückblicke, würde ich sie mir zurückwünschen.
Was war das Leben rückblickend doch einfach, als ich wusste, dass eben nur einige Dinge so angstbesetzt waren, wo ich ausweichen konnte von Straßenbahn auf Auto, von Disco auf Privatparty, vom Einkaufsmarathon am Samstag auf den leereren Dienstag Mittag.

Ja, da gab es wenigstens noch Lösungen…
Lösungen und Notprogramme, die heute mit KPTBS einfach nicht mehr abzurufen sind, weil es nicht funktioniert.
Heute ist es egal, ob ich im Auto oder im Flieger sitze. Der Stress ist der gleiche.
Selbst  zuhause auf dem Sofa kann es mich erwischen…Ich muss darauf achten, was ich an Filmen und Nachrichten ertragen kann, wie mein Stresspegel ist und wo Konflikte mich aus der Realität beamen.

Damals konnte ich noch arbeiten…heute nicht!
Ich konnte alleine in den Urlaub fahren…heute nicht!
Ich konnte alleine spazieren gehen…heute nicht!
Ich konnte Freunde besuchen…heute nicht!

Aber fühlt es sich heute tatsächlich schlimmer an als damals?

Gibt es mehr Angst als Todesangst?
Gibt es eine Steigerung von Panik?
Gibt es eine Steigerung von Verzweiflung und Hilflosigkeit?
Kann ich trauriger als traurig sein oder einsamer als einsam?

Meine (Er)Lösung zum Beenden dieses Zustandes ist auch heute noch das Fenster oder der Zug. Da hat sich nix geändert zu dem Zustand vor 25 Jahren.
Allerdings mit einem Unterschied…ich bräuchte heute eine Begleitperson, die mich zu den Schienen bringt 😉

Manchmal erwische ich mich dabei, dass ich Beiträge Betroffener in Gruppen lese und mir denke: „Deine Sorgen würde ich gerne haben.“
Mal bin ich im Modus des Weisen, wissend und nachsichtig lächelnd…
Aber manchmal bin ich auch weniger verständnisvoll und denke mir: „Wenn Du wüsstest, Du Weichei“

Ich muss mich da selber oft zur Ordnung rufen, ich bin halt auch nur ein unvollkommener Mensch und alles andere als Mutter Theresa.

Wir, die schon länger „dabei“ sind, sollten uns immer an unsere Anfängerzeit mit der jeweiligen Erkrankung und an unsere damaligen Ängste und anderen Gefühle erinnern und niemals vergessen, dass es uns damals GEFÜHLT genauso schlecht ging wie heute.
Dass wir wegen jeder „Kleinigkeit“ verzweifelt nach Antworten und vor allem Lösungen gesucht haben, damit sich unser Zustand schnellstmöglich wieder normalisiert und wir wieder funktionieren.

Und die Greenhorn und Frischlinge müssen lernen, dass wir Ewigkranken keine Jammerlappen und therapieresistente Vollversager sind, die sich einfach mit der Krankheit arrangiert haben und vermeintliche Krankheitsgewinnler sind, die es gar nicht mehr anders haben wollen.
Alle Kämpfe, die Ihr Frischlinge jetzt führt und in Zukunft führen werdet, haben wir schon lange hinter uns…fast alle Lösungswege, die Euch gezeigt werden, haben wir auch ausprobiert. Und viele neue Lösungswege basieren auf der Erfahrung der Ärzte und Therapeuten mit uns alten Hasen.

Und wenn wir uns endlich alle bewusst gemacht haben, dass selbst gleiche Diagnosen vollkommen unterschiedlich einschränkend sind, dann ist es auch verständlicher, dass es unmöglich ist, psychische Erkrankungen miteinander zu vergleichen.

Ich möchte nicht tauschen mit den Borderlinern, die ihre verräterischen Narben vor der Gesellschaft verbergen. Ich meckere zwar immer über mein Übergewicht, aber mit schlanken Essgestörten möchte ich ebenfalls nicht tauschen.
Ich möchte keine Psychosen erleben und auch nicht das Arschloch der Nation als Narzisst sein.

Wir haben alle nur einen Wunsch….GESUND WERDEN!

Und die, die diesen Kampf wirklich gewonnen haben, werde wir wahrscheinlich eher als Autoren von Büchern oder E-Books, oder als Therapeuten antreffen und nicht als aktive Mitglieder in Foren und Facebook-Gruppen.

Eure Rapunzel