Auch das gibts heutzutage immer noch:
Irgendwo da „Oben“ wird etwas beschlossen, um die Lage für bestimmte Personenkreise zu verbessern…
und dann vergisst man, den Betroffenen Bescheid zu sagen.
Und es kommt noch schlimmer…. der Betroffene soll selber schuld sein.


What happened?

Rapunzel war mit der ambulanten Wohnbetreuung zur Zahnsteinentfernung.
Das lasse ich seit 2019 zweimal im Jahr über mich ergehen, um Zahnverlust durch Parodontose und die Parodontosebehandlung unter Vollnarkose zu verzögern.
Mittlerweile kostet mich die Professionelle Zahnreinigung knapp 80 Euro und ich denke immer, ich kann froh sein, dass ich mir das dank dem Pflegegeld leisten kann. Nur mit Grundsicherung müsste ich darauf verzichten.

Während ich da so auf dem Behandlungsstuhl lag und mit geöffnetem Mund die Behandlung über mich ergehen ließ, fragte meine Wohnbetreuung plötzlich die über mich gebeugte Prophylaxehelferin, ob sie ihr Auskunft geben könnte über die mögliche Kostenübernahme und die Bedingungen bei Pflegebedürftigen, denn sie hätte eine andere Klientin, bei der die Rechnung für die Zahnreinigung von der Praxis direkt an die Kasse geschickt werden würde und diese Klientin nichts dafür zahlen müsse.
Die Prophylaxehelferin konnte darüber keine Auskunft geben, da sie nur für die Zahnreinigung am Stuhl zuständig wäre, mit den Abrechnungen nichts zu tun hätte, solche Bestimmungen auch nicht kenne und verwies uns an die „Büro“ Kollegin, die aber nicht im Haus war.

Daheim habe ich sofort gegoogelt und bin schnell fündig geworden über die Suchworte „Zahnreinigung Kostenübernahme Pflegegrad“.

Für nähere Infos habe ich dann zum Telefon gegriffen und die BKK (Pflegekasse) angerufen, die für mich zuständige Abteilung, wenn es um pflegegradrelevante Dinge geht.

Und anstatt Aufklärung bekam ich eine sofortige Absage, dass es diese Leistung nicht geben würde und hörte die Gegenfrage, „Aus welchem Topf sollen wir das denn bezahlen?“.

Hätte ich mich hier auf die Aussage dieser Sachbearbeiterin verlassen, wäre mir nicht nur rückwirkend, sondern auch in der Zukunft diese Leistung vorenthalten worden!

Nur meine Hartnäckigkeit hat dazu beigetragen, dass die Dame dann ebenfalls kurz googelte und meine Info bestätigt fand. Allerdings erfolgte auch dann wieder der Versuch, mich abzuschmettern…

Es erfolgte tatsächlich erstmal der Hinweis, dass das, wenn überhaupt, nur 4 Jahre rückwirkend gilt und darüber hinaus, dass damit aber nur die Entfernung von festen Zahnbelägen und eben nicht die professionelle Zahnreinigung gemeint sei.
Ich habe ihr dann gesagt, dass sie jetzt kleinlich wird, dass ich zur Zahnsteinentfernung dort bin, wegen meiner Parodontose. Und dass diese Informationen der BKK nun wirklich vorliegen, zumal ich ja meine Rechnung für die Zahnreinigung einmal im Jahr einreiche für die 20 Euro Rückerstattung.

Ich habe dann gefragt, weshalb den Pflegebedürftigen diese Information nicht übermittelt wird.
Als Antwort bekam ich, dass die Pflegekasse ja nicht bei jeder Änderung einen Brief schreiben könne und dass die Pflegebedürftigen sich diese Informationen besorgen müssen, auf der Webseite der BKK/Pflegekasse wären solche Informationen zu finden.

Ich entgegnete darauf, dass ich und die meisten anderen Pflegebedürftigen wohl eher nicht nach Neuigkeiten auf der Webseite der BKK suchen, da man nunmal nix sucht, wenn man nicht davon weiß, dass es Änderungen im Leistungskatalog gibt und auch nicht jeder dazu in der Lage ist.

Meine Idee war dann, wenn die BKK schon keine Briefe schreiben möchte an die wenigen Pflegebedürftigen und Behinderten, dass doch zumindest in dem Mitgliedermagazin, welches ja mehrmals jährlich in den Briefkästen aller Mitglieder landet, eine Seite für die Pflegekasse für solche Infos zur Verfügung gestellt werden könnte.

Dann erfolgte eine kurze Ausführung, dass es keinen Gestaltungseinfluss auf das Magazin gibt, da die Pflegekasse nicht zur BKK gehört.

Ein paar Tage später hatte ich zum gleichen Thema ein Gespräch mit einer anderen Sachbearbeiterin meiner Krankenkasse aus der Abteilung Zahnmedizinische Versorgung.

Die Kollegin war auch sehr freundlich und vorbereitet und erklärte mir den Ablauf für die Erstattung.

Doch auch hier gab es keine Einsicht, dass nicht der Hilfebedürftige die Informationen selbst zu beschaffen hat, sondern die Krankenkasse meiner Meinung nach diese Informationen unaufgefordert liefern muss.

Das nächste Argument, welches ich bekam, war, dass ich versäumt habe, dem Zahnarzt meinen Pflegegrad mitzuteilen! Denn der hätte ja die Info (wahrscheinlich) geliefert, wenn er gewusst hätte, dass ich einen Pflegegrad habe!

Doch warum sollte ich meinem Zahnarzt meinen Pflegegrad mitteilen, wenn dieser jahrelang für die zahnärztliche Behandlung überhaupt nicht von Wichtigkeit war und mich auch bisher niemand darauf aufmerksam macht, dass ich jeden Arzt informieren muss, um Nachteile zu vermeiden?

Meine Idee, der Pflegekasse eine Seite im Magazin zur Verfügung zu stellen, sorgte hier auch nicht für Anklang, im Gegenteil… Mir wurde gesagt, dass das Magazin von der Marketingabteilung gestaltet wird und wahrscheinlich eingestellt wird, da die BKK immer mehr auf Digitalisierung setzt.
Mein Einwand, dass viele Betroffene mit Pflegegrad oder Schwerbehinderung häufig gesundheitlich nicht in der Lage sind, digitale Inhalte zu nutzen und oftmals auch nicht über das Equipment verfügen, online zu gehen, wurde gekontert mit dem Hinweis, dass Ältere sich auch nicht dafür interessieren.
Ich sah mich echt veranlasst, die Meinung der Sachbearbeiterin nochmals zu korrigieren, dass Fähigkeit und Equipment der Betroffenen wohl die größere Rolle spielen, selbst ich habe das OnlineSystem der BKK nicht händeln können und mich austragen lassen.

Nach diesem aufwühlenden Telefonat habe ich dann bei meinem Zahnarzt angerufen und auch die Praxisangestellte wies jegliche Verantwortung von sich und schob es auch auf mich.

„Ich hätte ja nicht mitgeteilt, dass ich einen Pflegegrad habe.“

Echt jetzt? Das ist doch wirklich ein schlechter Scherz!

Ich bin seit 10 Jahren Patientin in dieser Praxis. Diverse Stuhlassistentinnen und behandelnde Ärzte und Ärztinnen in der Praxis wissen, dass ich schwerbehindert bin, dass ich immer in Begleitung meiner Betreuerin komme, dass ich Probleme mit der Zahnpflege habe…und während der Behandlung ist in den letzten Jahren im Laufe des „SmallTalks“ auch sicherlich das Wort Pflege gefallen.

Und trotzdem hat in der Praxis niemand reagiert und mich informiert und der Schwarze Peter liegt bei mir? Weil ich es anscheinend nicht der richtigen Person in der gesamten Praxis mitgeteilt habe?
Nämlich der Dame vorne an der Rezeption? Sofern sie die Abrechnungen macht.

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Ich hab soooo eine Wut im Bauch, das könnt Ihr Euch nicht vorstellen!

Fassen wir mal zusammen:
– Seit Juli 2018 wird die Zahnsteinentfernung übernommen.
– Die Pflegekasse informiert mich nicht.
– Die Zahnmedizinische Abteilung meiner Krankenkasse informiert mich nicht.
– Die Zahnarztpraxis informiert mich nicht.
– Pflegekasse, Krankenkasse und Zahnarzt wissen definitiv, dass ich bezugsberechtigt bin.
– Schlimmer noch, auf telefonische Nachfrage bei der Pflegekasse wird die Leistung erstmal verneint.
– Es fliegt auf und jeder schiebt mir dafür die Schuld in die Schuhe!
– Es wird deutlich gezeigt, dass es kein Interesse gibt, den Betroffenen die Information zu geben, z.B durch Brief oder Aushang.

Meine Damen von der Ambulanten Wohnbetreuung des LWL und auch die Alltags-Betreuerin eines privaten Pflegedienstes kennen die Information ebenfalls nicht.

Was wird hier eigentlich von mir erwartet?
Dass ich als psychisch Kranke bei jedem Arztkontakt nichtrelevante Daten rausgeben muss, obwohl sie für die Untersuchung, Diagnose und Behandlung nicht notwendig sind? Vielleicht demnächst auch noch beim Friseur oder beim Dönerimbiss? Könnte ja sein, dass es mal wichtig ist?
Oder muss ich wirklich regelmäßig sämtliche Webseiten nach wichtigen Änderungen für Betroffene mit Pflegegrad, Behinderung und Wohnbetreuung absuchen? Selbst auf der Webseite meiner Krankenkasse ist diese Information weder bei der Leistungen der Pflegekasse noch bei den Zahngeschichten zu finden!

Jetzt mal Hand aufs Herz…
Wer von Euch erzählt jedem Arzt, dass Ihr einen Pflegegrad habt oder Eingliederungshilfe nach §53 ?
Dass sind nämlich die Voraussetzungen für diese zahnärztliche Sonderversorgung.

Ich habe in einer Facebook- Gruppe eine einfache Ja- Nein Umfrage gestartet, wer von den Gruppenmitgliedern weiß, dass es seit 2018 diese zusätzlichen zahnärztlichen Leistungen gibt.

Diese Umfrage ist natürlich nicht repräsentativ, doch wenn von 1200 Mitgliedern innerhalb von 24 Stunden 104 Mitglieder antworten und davon 100 (!) nichts wissen, dann zeigt mir das, dass da etwas ganz gewaltig falsch läuft zu Ungunsten der Betroffenen. Und ich kein Einzelfall bin!

Wie siehts mit Dir aus?

Meine Erfahrung und die Umfrage entlarven wieder mal deutlich einen Missstand in unserem System.
Wir von Pflegegrad, Schwerbehinderung und/oder OEG betroffenen Mitglieder benötigen als Randgruppe dringend gut informierte Ansprechpartner bei allen Krankenkassen, damit wir unverzüglich die Unterstützung in gesundheitlichen Angelegenheiten bekommen, die unseren Alltag mit unseren Einschränkungen erleichtert.

Denn ich bin der Meinung, dass wenn „da oben“ irgendeine Änderung der Leistungen im Gesundheitswesen beschlossen wird, auch der Weg, wie diese Information „unten“ bei den Leistungsempfängern ankommt, verbindlich geklärt sein muss.
Die Holschuld kann und darf hier nicht bei den Betroffenen liegen!

Und für mich ist das einzige Bindeglied zwischen Ministerien, Versorgungsämtern, Kassenärztlichen Vereinigungen, Ärzten und den Betroffenen die jeweilige Krankenkasse und da muss es eine Möglichkeit des Datenabgleichs geben, übergreifend zwischen den einzelnen Abteilungen im Haus.

Das, was mir jetzt (wieder) passiert ist…

  • der Weg, wie ich erst 3 Jahre später von dieser wichtigen Information erfahren habe
  • der Umgang der Krankenkasse, Pflegekasse und der Zahnarztpraxis mit der Zuständigkeit, wer welche Information liefern muss
  • die mangelnde Bereitschaft, sich für praktikable Lösungen zu interessieren, die Betroffenen zu informieren
  • und die offensichtliche Bereitschaft aller Zuständigen, den Fehler auf mich als Betroffenen abzuschieben

… zeigt mir erneut deutlich, dass hier zum Wohle aller Betroffenen zum Thema Gesundheit immer noch Handlungsbedarf besteht, die Institutionen für solche Probleme zu sensibilisieren.

Es muss doch allen Zuständigen im Gesundheitswesen bekannt sein, dass besonders psychisch Erkrankte mit ihrer Erkrankung und den Einschränkungen selten offen umgehen, da sie Stigmatisierung und Abwertung befürchten.
Die Wenigsten der psychisch Erkrankten werden an jeder Arztrezeption deshalb darüber informieren, wenn es für die Untersuchung nicht zwingend notwendig ist.

Psychische Erkrankungen sind noch immer nicht voll gesellschaftlich akzeptiert!
Selbst im Gesundheitswesen anscheinend nicht, gemessen an dem Debakel, dass ich hier grade erlebe.

Ich werde in den nächsten Tagen deshalb auch andere relevante Institutionen und Vereine/ Verbände über diese Unklarheit des Informationsflusses informieren und um Lösungen bitten, da hier meines Erachtens generell ein eklatanter Fehler in unserem System zum Nachteil von Pflegebedürftigen und Schwerbehinderten vorliegt.
Und wo es besonders psychisch Erkrankte betreffen könnte. weil sie meistens im häuslichen Umfeld verbleiben und nur ambulante Unterstützung erhalten, oft sehr isoliert leben und häufig weder Antrieb noch die kognitiven Fähigkeiten zur Informationsbeschaffung haben.
Die Chancen sind dadurch sehr hoch, dass Psychisch Kranke schlichtweg durchs Informationsraster fallen.

Ich möchte jedenfalls nie wieder erleben, dass ich die Letzte bin, die „es“ Jahre später erfährt.
Ihr auch nicht?
Dann wehrt Euch! Beschwert Euch! Redet darüber! Schreibt mir, wenn Ihr solche Infos bekommt!

Und holt Euch das, was Euch zusteht!
4 Jahre rückwirkend die Zahnsteinentfernung (kalenderhalbjährig), reicht die Rechnungen bei Eurer Krankenkasse ein.

Hier noch der Link zur Informationsbroschüre, die in Kooperation von Kassenzahnärztlicher Vereinigung, Bundeszahnärztekammer und dem Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. für uns Betroffene erstellt wurde.

Eure Rapunzel auf dem Kriegspfad