Die Umfrage „Dein Weg durch das OEG“ ist seit dem 12.06.2024 beendet.
Gestartet vor 419 Tagen, haben nun 845 Betroffene ihre Erfahrungen in der Online-Umfrage geteilt.
Diese Umfrage hat sich auch zu weit mehr als nur eine Sammlung von Daten entwickelt; sie ist ein Symbol für unseren Mut und unsere Entschlossenheit, unsere Stimme endlich zu erheben und Veränderungen anzustoßen.
Das Interesse der Medien und der Öffentlichkeit für unsere Nöte ist ja bekanntlich ziemlich mau. Und auch auf politischer Ebene sind unsere Belange bisher nicht von allzu hohem Interesse, außer Täter und Opfer können instrumentalisiert werden für Schlagzeilen und politische Statements.
Unsere im Herbst 2022 bundesweit eingereichten Petitionen zur Einrichtung von unabhängigen Monitoring- und Opferbeschwerdestellen fanden in nahezu allen Landtagen so gut wie keine Resonanz trotz sehr persönlicher Erfahrungsberichte der Petenten zu den eigenen OEG-Verfahren. ABGELEHNT! BUNDESWEIT!
Hier in NRW wurden wir Petenten z.B von unseren Landtagsabgeordneten mit identischen Antworten, bestehend aus Textbausteinen und Floskeln, zurückgewiesen!
Und genau dieses oberflächliche Antwortschreiben an mich vom Landtag in NRW und meine Probleme mit dem LWL Münster waren letztendlich der Auslöser, meinem immer übermächtiger werdenden Gefühlen von Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit begegnen zu müssen.
Aufgeben oder Kämpfen! Ich habe mich für das Kämpfen entschieden!
Für Sichtbarkeit – Für Solidarität!
Als ich mir im Frühjahr 2023 hochgestresst von aktuellen Ereignissen, die mit meinem OEG- Verfahren zu tun hatten, wochenlang vor allem die Nächte um die Ohren haute, um mit den richtigen Fragen und Antwortmöglichkeiten die Ermittlung der Problematiken im OEG Verfahren bestmöglichst abbilden zu können, hatte ich absolut keine Idee, wie und wo ich die Ergebnisse dieser Umfrage eigentlich präsentieren könnte.
Ich wusste nur, es muss sich was ändern und ich hatte eine Vision…
Ich wollte jedem den Weg durch das Opferentschädigungsverfahren zeigen…
Meinen und Euren!
Mein Ziel war, einen Status Quo herzustellen, dass zukünftig niemand mehr auf politischer Ebene behaupten kann, er habe es nicht gewusst, wie mit uns Opfern im OEG Verfahren umgegangen wird und mit welchen Hürden wir zu kämpfen haben, um überhaupt unsere Rechte wahrnehmen zu können.
Wir sind vieles! Wir sind nicht nur Opfer von Gewalttaten, sondern oft lebenslang kranke Menschen, die völlig unterm Radar der Achtsamkeit der Gemeinschaft fliegen und die zusätzlich im OEG-Verfahren auch noch Opfer der Gesetze und der Behörden werden.
Aber eines sind wir nicht – Einzelfälle!
…auch wenn Behörden und Politiker das immer wieder behaupten.
Und die Umfrageergebnisse werden jetzt den Beweis dafür liefern.
Insgesamt haben 1268 Menschen die Umfrage gestartet, aber nicht jeder konnte sie auch beenden, z.B. konnte leider nicht auf jede Individualität in der ohnehin schon sehr umfangreichen Umfrage eingegangen werden und viele Teilnehmer empfanden die Umfrage für sich zu belastend.
Schon die ersten Zwischenstände haben mir oft die Tränen in die Augen getrieben, ich war doch selbst überrascht, wie ähnlich unser aller Erfahrungen mit dem OEG sind.
Was mich persönlich schmerzt, ist, dass ich aus mangelnder Erfahrung einige kritische und deshalb umso mehr zu beachtende Probleme nicht auf dem Schirm hatte, z.B. die Benachteiligung ganzer Betroffenengruppen, wie z.B. Hörgeschädigte oder diejenigen unter uns, die erst gar keinen Antrag stellen konnten aus den unterschiedlichsten Gründen.
Viele Betroffenengruppen konnte ich auch einfach nicht aktivieren, da es mir nicht möglich war, diese Personen ausfindig zu machen, z.B. die Eltern der Opfer des Missbrauchskomplexes von Lügde, Missbrauchsopfer der Kirche oder Soldaten.
Die Mobilisierung von Unterstützern zur Verbreitung der Umfrage war ebenfalls unerwartet mühsam.
Umso mehr freue ich mich über jeden einzelnen dieser 1268 Betroffenen, die dem Aufruf zur Umfrage gefolgt sind und den Gedanken, sichtbar zu werden durch Zahlen, mit mir teilen.
Ich bin stolz auf das geschenkte Vertrauen und bedanke mich bei allen Teilnehmern und bei:
- allen, die mir geholfen haben, der Umfrage den letzten Feinschliff zu geben
- allen, die immer wieder die Umfrage geteilt haben für mehr Aufmerksamkeit
- Ingo Fock, Vorsitzender des Vereins „Gegen Missbrauch e.V.“, der mir von sich aus angeboten hat, die Umfrageplattform zu finanzieren
- Gudrun, die Prof. Dr. Fegert vom Universitätsklinikum Ulm auf diese Umfrage aufmerksam machte
- Prof. Dr. Fegert, der nicht gezögert hat, eine wissenschaftliche Auswertung durch sein Team möglich zu machen
- Jun.-Prof. Dr. Dipl.-Psych. Miriam Rassenhofer, die die Auswertung überwacht
- M.Sc. Isabella Flatten-Whitehead (Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin), meine Hauptansprechpartnerin für die Auswertung und die Erstellung von Factsheets.
- den wenigen Vereinen, Initiativen und Netzwerken, die die Umfrage ebenfalls geteilt haben
- bei jeder Einzelperson, die geholfen hat, die Umfrage bekannter zu machen
- Und zuguterletzt bei allen aus meinem persönlichen Umfeld, die mich in meiner Focussierung auf die Umfrage (weiterhin) ertragen müssen.
Die Auswertung der Umfrage wird noch etwas dauern. Doch immer, wenn es was Neues gibt, werdet Ihr es hier erfahren.
Eine sichere Anlaufadresse für die Ergebnisse ist auch die Projektseite des Universitätsklinikums Ulm.
Direktlink: Dein Weg durchs OEG | Universitätsklinikum Ulm (uniklinik-ulm.de)
Webadresse: https://www.uniklinik-ulm.de/kinder-und-jugendpsychiatriepsychotherapie/sektionen-und-arbeitsgruppen/arbeitsgruppe-versorgungsforschung-in-der-kinder-und-jugendpsychiatrie/dein-weg-durchs-oeg.html
Ich persönlich feiere diese Umfrage, denn für mich als Urheberin ist sie der Start einer hoffentlich zukünftig besseren Vernetzung und Solidarisierung von Betroffenen, dem Universitätsklinikum Ulm, anderen Opferhilfen, verschiedenster Beratungsstellen und anderen Vereinen…
Und letztendlich ist diese Umfrage der Schups für mich gewesen, das OEG und auch mich als Missbrauchsopfer im kleinen begrenzten Rahmen in die Öffentlichkeit rauszutragen mit Hilfe von einem identitätsverschleiernden KI-Avatar, um Abstand halten zu können (zu Menschen und um die Thematik nicht zu nahe an mich rankommen zu lassen). Ich bin sehr froh, dass die Technik mir heute diese Möglichkeit bietet, auch wenn einige den Avatar nicht mögen.
Und die Ergebnisse der Umfrage werden der Arbeitsauftrag für unseren neuen Opferhilfe-Verein in Gründung.
Der neue Verein wird eine Informations- und Unterstützungsportal für Betroffene sein und ihnen eine Stimme geben- bei Politikern, in den Ministerien, bei den Versorgungsämtern, den Krankenkassen, bei anderen Verbänden, bei den Medien und und und….
„Wir sind KE!N Einzelfall!“ – dieser Satz ist ein kraftvolles Statement, das Hoffnung und Solidarität ausstrahlt. Es ist ein Aufruf, gemeinsam für Gerechtigkeit und Anerkennung zu kämpfen.
Wir werden ein Beispiel dafür, sein dass aus individuellen Erfahrungen kollektive Stärke erwachsen kann.
Und diese Stärke werden wir auch brauchen, denn aktuelle Ereignisse zeigen, dass da einiges Unerfreuliches auf uns zukommt:
In den letzten Wochen lesen wir bei sämtlichen Parteien von Anteilnahme, Mitgefühl und Entsetzen über aktuelle Gewalttaten, hören zahlreiche Statements über die neueste Kriminalstatistik, das Ansteigen von Sexualdelikten, dem Steigen der Zahlen von häuslicher Gewalt und der Erkenntnis, dass besonders Menschen mit Behinderung sexuellen Übergriffen und Gewalt ausgesetzt sind.
Dennoch werden gleichzeitig still und leise die Leistungen für Opfer von Gewalttaten reduziert:
- Diese Woche hat derselbe Landtag in NRW, der unsere Petitionen für die Einrichtung unabhängiger Monitioring- und Opferbeschwerdestellen abgelehnt und uns auf den Rechtsweg verwiesen hat, die Schaffung einer Stelle eines unabhängigen Polizeibeauftragten abgesegnet, um zukünftig Beschwerden der Bürger über das Verhalten der Polizei unabhängig, schnell und niedrigschwellig untersuchen zu können.
- Der Berliner Senat hat in diesem Monat den Etat für Opferentschädigung um 11,5 Millionen gekürzt, da die Mittel in absehbarer Zeit nicht abgerufen werden.
- Und diesen Monat wurde bekannt, dass der Fonds Sexueller Missbrauch eingestampft werden soll. Es gibt jetzt ja das supertolle neue Soziale Entschädigungsrecht. Der Bundesrechnungshof hat mal in die Bücher geschaut und festgestellt, dass 53 Millionen Taler für uns Missbrauchsopfer nicht gegenfinanziert sind.
Schlag für Schlag mitten ins Gesicht der Opfer von Gewalttaten!
… die Zeiten sind nicht gut für uns.
Also lasst uns vereint kämpfen für den Erhalt und vor allem auch für Verbesserung der Unterstützung von Opfern von Gewalttaten und deren Angehörige.
Ich zähle darauf, viele von Euch demnächst als Mitglied in dem Verein begrüßen zu dürfen.
Eure Rapunzel

16. Juni 2024 at 20:27
Habe noch nicht alles gelesen.
Wollte schon mal da lassen: Es lohnt sich zu kämpfen. Du / wir kämpfen um ein besseres Leben, um weniger Belastungen, um Anerkennung, um Menschlichkeit und noch vieles mehr. Die Behörden doch nur um Geld, Geld was Ihnen noch nicht einmal gehört.
Das wir etwas verändern können, habe ich im Gesetzesgebungsverfahren vom SGB XIV erfahren. Auch wenn es vielleicht nur ein Sandkorn war, so wurde doch wenigstens geschafft, dass einige Verschlechterungen, welche im Entwurf waren, wieder rausgenommen wurden. Was ich allerdings noch besser fand, dass einige Politiker zugehört haben und wenigstens ins SGB XIV wörtlich aufgenommen haben, dass auch sexueller Missbrauch, von Kindern, Jugendlichen und Schutzbefohlenen anerkannt wird. Im Entwurf stand nur Körperliche Gewalt (womit laut Politikern auch sexueller Missbrauch etc. juristisch anerkannt würde – aus den Erfahrungen der BSG Urteile etc. sehen es Behörden allerdings meist anders).
Vielleicht laufen wir häufig gegen Mauern, doch irgendwann wird sie brögeln oder sogar einige und wenn wir ein Sandkorn auf den nächsten werfen, werden auch Mauern hoffentlich überfindbarer.
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